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16. Jun 2023
Ein Gutachter des TÜV Süd bewertete ein gebrauchtes Motorrad mit einem zu hohen Wert. Den kapitalen Motorschaden hatte er grob fehlerhaft nicht erkannt. Unser Mandant gab deshalb ein zu hohes Gebot für den Erwerb des Motorrades ab.
12. Jun 2023
Neue Pfändungsfreigrenzen ab dem 01.07.2023.

20. Jan 2014

Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten für eine Ehewohnung


Ehegatten streiten im Falle einer Trennung und Scheidung der Ehe sehr häufig darüber, ob und in welchem Umfang ein Ehegatte zur Tilgung oder Haftung von Darlehensverbindlichkeiten verpflichtet ist, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Sanierung der vormaligen gemeinsamen Ehewohnung aufgenommen wurden.

Die Rechtsprechung zu diesem Gebiet ist komplex und sehr einzelfallabhängig. Der Bundesgerichtshof hat aber zumindest für die Fälle, in denen sich die Ehewohnung im Alleineigentum eines Ehegatten befindet, eine klare Linie vorgegeben. Demnach kann „ein Ehegatte, der während intakter Ehe dem anderen Ehegatten die Aufnahme von Bankkrediten durch Übernahme einer persönlichen Haftung oder durch Einräumung von dinglichen Sicherheiten ermöglicht, nach dem Scheitern der Ehe Befreiung von diesen Verbindlichkeiten verlangen, wenn nicht vertraglich ein anderes bestimmt ist. Die Geltendmachung dieses Befreiungsanspruches unterliegt jedoch Einschränkungen, die sich als Nachwirkung der Ehe sowie nach Treu und Glauben aus den Umständen ergeben, die zur Begründung der Verbindlichkeiten geführt haben". Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass ein Ehegatte die Befreiung von Bankverbindlichkeiten über das Auftragsrecht nach § 670 BGB verlangen kann. Es handelt sich dabei um ein familienrechtlich begründetes Schuldverhältnis, welches nach der Trennung aus wichtigem Grund gem. § 671 Abs. 3 BGB gekündigt werden kann. Da die Aufwendung in der Eingehung einer Verbindlichkeit besteht, kann der Ehegatte Befreiung gem. § 257 BGB verlangen. Der zur Befreiung verpflichtete Ehegatte (Befreiungsschuldner) hat verschiedene Möglichkeiten zur Befreiung, insbesondere durch Freistellungserklärung der Bank, Zahlung oder Umschuldung (BGH, Urteil vom 05.04.1989, IV b ZR 35/88).

Voraussetzung für den Befreiungsanspruch ist das Scheitern der Ehe. Die Ehe ist gem. § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB gescheitert, wenn „die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen“. Gem. § 1566 Abs. 1 BGB wird widerlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, „wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt“. Unwiderlegbar wird gem. § 1566 Abs. 2 BGB das Scheitern der Ehe vermutet, „wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben“. Gem. § 1567 Abs. 1 BGB  leben die Ehegatten leben getrennt, „wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht wiederherstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben“ (sogenannte Trennung von Tisch und Bett).

Der die Befreiung begehrende Ehegatten (Befreiungsgläubiger) hat bei der Geltendmachung seines Befreiungsanspruches das Gebot der Rücksichtnahme gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten. Danach tragen die Ehegatten für einander Verantwortung. Dieses Gebot wirkt auch über das Scheitern der Ehe hinaus fort. Das Interesse eines Freistellungsschuldners, weiter in der ihm gehörenden Immobilie zu wohnen, hat jedoch keinen Vorrang vor dem Interesse des Freistellungsgläubigers auf Haftentlassung. Notfalls muss die ehemalige Ehewohnung verwertet werden, um den Freistellungsanspruch zu erfüllen. Die frühere Motivation der Kreditaufnahme, ein Ehewohnung anzuschaffen, kann die Fälligkeit des Freistellungsanspruches grundsätzlich nicht verlängern.

Etwas anderes gilt dann, wenn hinreichend feststeht, dass der Eigentümer durch den Einsatz sonstiger Mittel oder finanzieller Hilfen Dritter oder Verwandter kurzfristig in der Lage sein wird, den Freistellungsauftrag bei der Bank herbeizuführen. Hierzu müssen jedoch konkrete Finanzierungsunterlagen und Gespräche dargelegt werden. Ein Rechtschutzbedürfnis für eine Freistellungsklage dürfte dann nicht vorhanden sein, wenn ein Verkaufsauftrag durch einen Immobilienmakler nachgewiesen wird und durch den Verkaufserlös ohnehin die Darlehensverpflichtungen wegfallen. Hierbei wird jedoch kein uneingeschränkter Zeitraum zur Verfügung stehen, um Missbrauch vorzubeugen. Ein kurzfristig möglicher Abschluss der Folgesache Unterhalt und Zugewinnausgleich mit bereits vorhandenen konkreten Zahlen kann eine Freistellungsklage verhindern. Wenn sich eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzeichnet, kann ein weiteres Zuwarten zugemutet werden, wenn dann nur ein abstraktes Vollstreckungsrisiko besteht (LG Frankenthal, Urteil vom 13.01.2009, 8 O 38/08). Umgekehrt kann sich bei einer fehlenden Leistungsfähigkeit ein abstraktes Risiko des Freistellungsgläubigers in ein konkretes Freistellungsrisiko wandeln (OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.07.2011, 16 UF 186/11).

Fazit: Trotz dieser eindeutigen Rechtslage sollte der Freistellungsanspruch mit besonderem Augenmaß geltend gemacht werden. Im Falle einer Vollfinanzierung der Ehewohnung führt die Trennung der Ehegatten nicht selten zu einer fehlenden Leistungsfähigkeit des Vollstreckungsschuldners. Ein auf die Freistellung gerichteter Titel (z.B. Urteil, Vergleich) wird nach § 887 ZPO vollstreckt, was zu einer Vorauszahlung in Höhe des Freistellungsanspruchs führt. Bei mangelnder Leistungsfähigkeit des Vollstreckungsschuldners führt dies zur Zwangsversteigerung der Ehewohnung. Ein freihändiger Verkauf würde jedoch mit hoher Sicherheit zu einem besseren wirtschaftlichen Ergebnis führen.

Verfasser: Frank Hengst