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12. Jun 2023
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27. Jan 2014

Gebäude als Scheinbestandteil auf fremden Grund und Boden


Gem. § 94 Abs. 1 S. 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude. Der Begriff „Gebäude“ i. S. v. § 94 Abs. 1 S. 1 BGB ist weit zu fassen und beinhaltet Bauwerke aller Art, weil nur so der Zielsetzung der Vorschrift, wirtschaftliche Werte zu erhalten und für rechtssichere Vermögenszuordnungen zu sorgen, ausreichend Rechnung getragen werden kann (OLG Schleswig, Urteil vom 21.05.2013, 3 U 77/12). Der Bundesgerichtshof hat hierzu folgendes formuliert: „Den Begriff des Gebäudes kommt in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen unterschiedliche Bedeutung zu. Unter dem in § 94 f BGB zur Bestimmung der Bestandteilseigenschaft einer Sache verwendeten Gebäudebegriff, der in seiner sachlichen Zielsetzung auf Erhaltung wirtschaftlicher Werte sowie die Wahrung rechtssicherer Vermögenszuordnungen ausgerichtet ist, werden etwa auch Brücken und Windkraftanlagen (…) sowie vereinzelt sogar Mauern gefasst (…), während etwa in steuerrechtlichen Bewertungszusammenhängen die Abgrenzung zwischen Gebäuden und Betriebsvorrichtungen im Vordergrund steht und zu anderen Abgrenzungsergebnissen führen kann (…).“ (BGH, Urteil vom 17.11.2010, VIII ZR 277/09). Die weite Fassung des Gebäudebegriffs in § 94 BGB ist vor diesem Hintergrund in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt. Transformatorenstationen, Blockheizkraftwerke, Fertiggaragen und dergleichen sind deshalb Gebäude i. S. v. § 94 BGB.

Damit ein Gebäude „wesentlicher Bestandteil“ i. S. v. § 94 BGB wird, muss eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden vorliegen. Diese Verbindung kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Allgemein anerkannt ist die feste Verbindung durch Eigengewicht oder eine Verankerung durch ein Fundament oder vergleichbare Konstruktionen.

Wird das mit dem Grund und Boden fest verbundene Gebäude jedoch als Scheinbestandteil i. S. v. § 95 BGB klassifiziert, kann für das Gebäude eine gesonderte eigentumsrechtliche Zuordnung erfolgen. Gem. § 95 Abs. 1 S. 1 BGB gehören zu den Bestandteilen eines Grundstückes solche Sachen nicht, die "nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden" sind. Ob eine Sache nur zu einem vorübergehenden Zweck mit einem Grundstück verbunden wird, beurteilt sich in erster Linie nach dem zum Zeitpunkt der Verbindung vorliegenden Willen des Erbauers, sofern dieser mit dem nach Außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Zu einem vorübergehenden Zweck geschieht die Verbindung, wenn die spätere Trennung vom Verbindenden beabsichtigt ist. Diese innere Absicht muss anhand der äußeren Umstände erkennbar dokumentiert sein. Ein vorübergehender Zweck kann etwa vorliegen, wenn jemand in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechts (Pächter, Mieter) handelt. Hat allerdings in einem solchen Falle der Grundstückseigentümer nach den vertraglichen Bestimmungen bei Auflösung des Vertragsverhältnisses ein Wahlrecht, ob er die Anlage gegen Zahlung einer Entschädigung übernimmt oder deren Rückbau verlangt, ist § 95 BGB nicht mehr anwendbar (BGH, Urteil vom 05.05.1971, VIII ZR 197/69). Entscheidend ist letztlich immer, ob der Wille des Erbauers im Einfügungszeitpunkt dahin geht, das fragliche Gebäude auch bei Aufhebung des Nutzungsrechts am Grundstück auf dem Grundstück zu belassen. Der Zweck bestimmt sich nach der inneren Willensrichtung des Erbauers, die aber mit dem nach Außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein muss (BGH, Urteil vom 20.05.1988, V ZR 269/86 | BGH, Urteil vom 22.12.1995, V ZR 334/94).

Fazit: Besonders in der Energiewirtschaft sind diese Rechtsfragen sehr aktuell. Insbesondere beim Contracting erfolgt regelmäßig die Errichtung eines Gebäudes oder einer komplexen technischen Anlage auf fremden Grundstücken. Die rechtlichen Weichen für die eigentumsrechtliche Zuordnung des Gebäudes oder der Anlage werden bei der Erbauung gestellt. Neben einer klaren Vereinbarung mit dem Eigentümer des Grundstückes  muss die Willensrichtung des Erbauers nach Außen dokumentiert werden. Das Schicksal des Eigentums am Gebäude darf nach Beendigung des Vertrages mit dem Eigentümer des Grundstückes nicht allein dessen Willen überlassen werden. Zudem sind bei der Vertragsgestaltung der Dauer des Vertragsverhältnisses und dem Wert der Anlage eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Hierzu hat der Bundesgerichtshof weitere Entscheidungen getroffen, die dringend zu berücksichtigen sind.

Verfasser: Frank Hengst