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Ein Gutachter des TÜV Süd bewertete ein gebrauchtes Motorrad mit einem zu hohen Wert. Den kapitalen Motorschaden hatte er grob fehlerhaft nicht erkannt. Unser Mandant gab deshalb ein zu hohes Gebot für den Erwerb des Motorrades ab.
12. Jun 2023
Neue Pfändungsfreigrenzen ab dem 01.07.2023.

26. May 2014

Konkludentes Zustandekommen eines Energieliefervertrages mit einem Zwangsverwalter


Für Versorgungsunternehmen, die Energieerzeugungsanlagen in Objekten errichten und die erzeugte Energie veräußern (Contractingunternehmen) tritt eine schwerwiegende Leistungsstörung im Lieferungsvertrag auf, wenn das mit Energie belieferte Objekt unter Zwangsverwaltung gerät. Dann stellt sich die Frage, ob das Versorgungsunternehmen die Entgelte für die Energielieferungen künftig vom Eigentümer, vom Zwangsverwalter oder vom Mieter/Pächter des Objektes verlangen kann. Deutlich sichtbar wird das Problem dann, wenn der Objekteigentümer nach Anordnung der Zwangsverwaltung den Belieferungsvertrag mit dem Versorgungsunternehmen kündigt oder das Versorgungsunternehmen seinerseits eine Beendigung des Versorgungsvertrages herbeiführt und im weiteren Zeitverlauf zwar Entnahmen aus dem vom Versorgungsunternehmen zur Verfügung gestellten Anschluss erfolgen, aber keine neuen schriftlichen vertraglichen Vereinbarungen zustande kommen.

In diesen Fällen stellt sich die Frage danach, ob und gegebenenfalls mit wem ein konkludenter Versorgungsvertrag zustande gekommen ist. In der Rechtsprechung ist unstreitig, dass in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogen. Realofferte zu sehen ist. Diese Realofferte wird von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt wird, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Es zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand mit den zugrundeliegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden. Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmen liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages ist dabei typischerweise der Objekteigentümer bzw. derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt (BGH, Urteil vom 06.07.2011, VIII ZR 217/10 | BGH, Urteil vom 10.12.2008, VIII ZR 293/07 | BGH, Beschluss vom 15.01.2008, VIII ZR 351/06).

Dieser Grundsatz unterliegt jedoch Einschränkungen, wenn das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten einen Versorgungsvertrag geschlossen haben. So hat der BGH bereits entschieden, dass die Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsabschluss etwa dann fehlen, wenn ein Versorgungsverhältnis zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten besteht, aufgrund dessen die Energielieferungen erbracht werden, oder wenn der Abnehmer einen Versorgungsvertrag mit einem anderen Energieversorger geschlossen hat und nicht weiß, dass dieser ihn nicht (mehr) beliefert (BGH, Urteil vom 06.07.2011, VIII ZR 217/10 | BGH, Urteil vom 26.01.2005, VIII ZR 66/04). Denn ob ein schlüssiges Verhalten als eine – hier zum Vertragsschluss führende – Willenserklärung zu werten ist, bestimmt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Umständen. Hiernach kommt es entscheidend darauf an, wie das Verhalten objektiv aus der Sicht des Erklärungsgegners zu verstehen war, ob für den Empfänger der Energielieferung, also nach den ihm bekannten und jedenfalls erkennbaren Umständen ersichtlich war, dass der im streitigen Zeitraum über den Grundstückszähler erfolgten Energielieferungen eine an ihn gerichtete Realofferte auf Abschluss eines Energieliefervertrages zu sehen war (BGH, Urteil vom 26.01.2005, VIII ZR 66/04 | BGH, Urteil vom 27.04.2005, VIII ZR 140/04).

Derartige Umstände ergeben sich nicht schon daraus, dass ein Zwangsverwalter gem. § 152 Abs. 2 ZVG in die bestehenden Miet- und Pachtverträge eingetreten ist. Zwar hätte eine mietvertragliche Verpflichtung den Grund, den Mietern und Pächtern Energie zur Verfügung zu stellen, Anlass geben können, die über den Grundstückszähler geleitete Energie als eine zunächst an den Zwangsverwalter zwecks interner Weiterverteilung gerichtete Versorgungsleistungen zu sehen. Für eine solche Versorgungspflicht hätte es indes über die bloße Existenz von Miet- und Pachtverträgen hinaus der Feststellung zusätzlicher Anhaltspunkte bedurft (BGH, Urteil vom 22.01.2014, VIII ZR 391/12). Zu unterscheiden ist hier nämlich danach, welche Energie geliefert wird. Anders als bei der leitungsgebundenen Wärme- und Wasserversorgung kann von einer Verpflichtung des Vermieters zur Belieferung seiner Mieter mit Strom nämlich nur ausgegangen werden, wenn dies eigens vereinbart ist. Ansonsten hat ein Vermieter grundsätzlich nur dafür einzustehen, dass die vermieteten Räume über einen tauglichen Stromanschluss an das allgemeine Versorgungsnetz verfügen (BGH, Urteil vom 30.06.1993, XII ZR 161/91 | OLG Rostock, Urteil vom 10.12.2009, 3 U 253/08 | BGH, Urteil vom 26.07.2004, VIII ZR 281/03).

Fazit: Tritt eine der eingangs genannten Leistungsstörungen in einem Energieversorgungsverhältnis ein und steht die Leistungsstörung im Zusammenhang mit einer Zwangsverwaltung des Grundstückes, ist neben der Prüfung und ggf. Herbeiführung der sonstigen Voraussetzungen für einen konkludenten Vertragsschluss mit dem Zwangsverwalter – zum Beispiel die Beendigung alter Versorgungsverträge mit dem Eigentümer – auch darauf zu achten, ob es sich um die Belieferung von Wärme, Wasser/Abwasser oder Strom handelt. Bei einer Belieferung mit Wärme und Wasser/Abwasser hat der Zwangsverwalter die Entnahme dieser Energie als eine an ihn gerichtete Realofferte zu betrachten, weil er als Vermieter gegenüber seinen Mietern mit der Belieferung dieser Energie verpflichtet ist. Handelt es sich bei der streitigen Energielieferung um eine Stromlieferung, ist zu prüfen, ob eine vertragliche Verpflichtung des Vermieters/Zwangsverwalters zur Belieferung mit Strom besteht. Besteht eine solche Verpflichtung nicht, ist die Realofferte des Versorgungsunternehmens nicht an den Zwangsverwalter gerichtet, sondern an die Mieter und Pächter.

Verfasser: Frank Hengst