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12. Jun 2023
Neue Pfändungsfreigrenzen ab dem 01.07.2023.

26. May 2017

Uneinigkeit der Eltern über Schutzimpfung ihres Kindes


Tragen die Eltern eines Kindes das gemeinsame Sorgerecht, sind sie berechtigt und verpflichtet, für ihr minderjähriges Kind die Sorge für die Person (Personensorge) und das Vermögen (Vermögenssorge) zu tragen (§ 1626 Abs. 1 BGB). Die Personensorge umfasst auch die Gesundheitssorge. Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist in Entscheidungen, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs. 1 S. 1, 2 BGB). Bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern über Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, kann das Familiengericht die Entscheidung in einem Einzelpunkt auf einen Elternteil übertragen (§ 1628 S. 1 BGB).


Ein in der Praxis häufig auftretender Streitpunkt ist die Frage der Durchführung von Schutzimpfungen von Kindern. Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegen. Die Kindeseltern in diesem Fall waren gemeinsam sorgeberechtigt. Die Tochter lebte bei der Mutter. Zwischen den Eltern bestand Uneinigkeit über die Durchführung von Schutzimpfungen. Der Vater befürwortete die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, dass Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko.


In der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Eltern haben das Amtsgericht und das Oberlandesgericht dem Vater die Gesundheitsvorsorge gem. § 1628 S. 1 BGB allein übertragen. Dies hat der Bundesgerichtshof bestätigt (Beschluss vom 03.05.2017, XII ZB 157/16). Dabei ist der Bundesgerichtshof zunächst davon ausgegangen, dass die Durchführung von Schutzimpfungen keine alltäglichen Angelegenheiten i. S. v. § 1687 Abs. 1 BGB darstellen, so dass die Mutter, bei der sich die Tochter aufhielt, diese Angelegenheit nicht allein entscheiden durfte. Bei Impfungen handele es sich nicht um Entscheidungen, die als Alltagsangelegenheiten vorkommen. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des alltäglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.


Das Gericht hat den Vater als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der Impfungen des Kindes zu entscheiden. Seine Sichtweise entspreche dem Wohle des Kindes (§ 1679 a BGB) am Besten. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom Bundesgerichtshof bereits als medizinischer Standard anerkannt worden. Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehende Impfrisiken vorliegen, konnte das Gericht auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, konnte das Gericht hingegen nicht zum Anlass nehmen, um eine anders lautende Entscheidung zu treffen.


Fazit: Über die Durchführung von Schutzimpfungen von minderjährigen Kindern entscheiden die Eltern gemeinsam. Kommt  keine Einigung zwischen den Eltern zustande, kann eine Entscheidung des Gerichtes eingeholt werden. Das Gericht wird i. d. R. demjenigen Elternteil Recht geben, der sich an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Bestehen seitens des anderen Elternteils hingegen erhebliche Bedenken, müssen diese mit handfesten gesundheitlichen Argumenten bzgl. möglicher Impfschädigungen aufgrund des konkreten gesundheitlichen Zustand des Kindes dargelegt werden. Anderenfalls wird eine Impfung des Kindes nach den Empfehlungen der STIKO angeordnet werden.

Verfasser: Frank Hengst