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18. Jan 2020

Vererblichkeit eines Benutzerkontos in sozialen Medien


Der Bundesgerichtshof hat eine sehr bedeutsame Grundsatzentscheidung zur Vererblichkeit des sogenannten digitalen Nachlasses getroffen. Hintergrund der Entscheidung waren die Bemühungen der Eltern eines unter misteriösen Umständen tödlich verunglückten Kindes. Die Eltern wollten Zugriff auf den Facebook-Account ihres Kindes haben, um weitere Informationen über mögliche Ursachen des Unglücks zu erhalten.

Im Ergebnis hat der BGH folgenden Leitsatz aufgestellt:

Beim Tod des Kontoinhabers eines Benutzerkontos in einem sozialen Netzwerk geht der Nutzungsvertrag und damit das Benutzerkonto grundsätzlich auf die Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.

Ausgangspunkt ist zunächst, dass nach § 1922 Abs. 1 BGB das Vermögen als Ganzes auf die Erben übergeht (Universalsukzession). Hierzu gehören grundsätzlich auch Ansprüche und Verbindlichkeiten aus schuldrechtlichen Verträgen, wie dem hier vorliegenden Nutzungsvertrag, wobei der Erbe in die vertragliche Rechtsstellung mit sämtlichen Rechten und Pflichten eintritt.

Die Vererblichkeit wurde nicht durch eine sogenannte Gedenkklausel in den AGB des Onlineanbieters ausgeschlossen. Die entsprechenden Regelungen waren aufgrund eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB (unangemessene Benachteiligung aufgrund eines Verstoßes gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen) und § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (unangemessene Benachteiligung aufgrund der Gefährdung des Vertragszwecks) unwirksam.

Auch Interessen der Kommunikationspartner des verstorbenen Inhabers des betroffenen Accounts stehen der Vererblichkeit nicht entgegen. Der Kommunikationspartner des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks kann grundsätzlich keine berechtigte Erwartung haben, dass der Empfänger den Inhalt einer Nachricht vertraulich behandelt.

Des Weiteren steht das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers der Vererblichkeit digitaler höchstpersönlicher Inhalte nicht entgegen. Das postmortale Persönlichkeitsrecht wird aus dem Grundrecht der Unantastbarkeit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet und dient dem Schutz des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, und des sittlichen, personalen und sozialen Geltungswerts, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Bei einem Eingriff in dessen immaterielle Bestandteile können die nächsten Angehörigen des Verstorbenen Abwehrrechte in Form von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen geltend machen.

Das Fernmeldegeheimnis gem. § 88 Abs. 3 TKG steht der Vererblichkeit ebenfalls nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist es Diensteanbietern untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Ein Verstoß gegen § 88 Abs. 3 TKG liegt jedoch deshalb nicht vor, weil der Erbe eines Kommunikationspartners kein "anderer" im Sinne dieser Vorschrift ist.

Letztlich stehen auch datenschutzrechtliche Belange der Vererblichkeit nicht entgegen. Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin sind nicht betroffen. Die Datenschutz-Grundverordnung bezieht sich - wie schon die zuvor geltenden nationalen Vorschriften - nur auf lebende natürliche Personen. Ob die Datenschutz-Grundverordnung datenschutzrechtliche Belange der Kommunikationspartner des Erblassers überhaupt erfasst, lässte der BGH offen, denn die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner des Erblassers durch die Übermittlung und dauerhafte Bereitstellung der jeweiligen Inhalte für die Erben war jedenfalls sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO aufgrund der besonderen Interessenlage auf Seiten der Eltern zulässig.

Quelle: BGH, Urteil vom 12.07.2018, III ZR 183/17

Verfasser: Frank Hengst